Die EU-Kommission solle „so schnell wie möglich“ einen Vorschlag vorlegen, um Autohersteller von CO2-Bußgeldern zu befreien, so der EU-Abgeordnete Jens Gieseke. Ein Positionspapier der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament untermauert die Forderung.
Angesichts der Herausforderung der Autohersteller, die CO2-Grenzwerte der EU zu erfüllen, die sie zum Verkauf eines immer größeren Anteils an Elektrofahrzeugen verpflichten, stellt die konservative Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) eine klare Forderung an die EU-Kommission: Sie soll „einen Vorschlag vorlegen“, wie Strafen in Höhe von bis zu 16,7 Milliarden Euro vermieden werden können.
„Unser Standpunkt ist, dass wir Strafen vermeiden wollen“, erklärte der CDU-Politiker Gieseke, der die Arbeit an dem Positionspapier der EVP-Fraktion geleitet hatte, auf einer Pressekonferenz.
„Wie das in der Praxis funktioniert, müssen wir sehen, aber zumindest wollen wir, dass die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegt, der Flexibilität bietet, einen längeren Berechnungszeitraum vorsieht oder sich nicht nur auf zugelassene, sondern vielleicht auch auf produzierte Autos konzentriert“, fuhr er fort.
Auf die Frage, ob er erwarte, dass die EU-Kommission der Forderung der Fraktion nachkommen werde, angesichts ihrer bisherigen Ablehnung, die Ziele für 2025 zu ändern, sagte Gieseke: „Die EU-Kommission sollte diesen Vorschlag so schnell wie möglich vorlegen“. Der Forderung an die Kommission, innerhalb der ersten 100 Tage Vorschläge vorzulegen, wurde jedoch aus dem Papier gestrichen.
„Als Mitgesetzgeber sind wir nicht dafür zuständig, der EU-Kommission Fristen zu setzen“, erklärte Gieseke.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hätte allerdings bereits erklärt, dass die Lösung der Probleme der Automobilindustrie „Chefinnensache“ sei, also oberste Priorität habe, sagte der EVP-Europaabgeordnete und fügte hinzu, dass „unsere Erwartungen klar sind“.
Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte gegenüber Euractiv, dass es „nichts zu der heutigen Forderung zu sagen“ gebe, und wiederholte, dass von der Leyen einen „strategischen Dialog“ über die Zukunft der Automobilindustrie angekündigt habe, ähnlich dem für den Agrarsektor.
„Der Industrie läuft die Zeit davon“
Giesekes Einschätzung wurde von Sigrid de Vries, Generaldirektorin des europäischen Automobilherstellerverband ACEA, geteilt.
„Der Industrie läuft die Zeit davon, was die Kosten für die Einhaltung der Vorschriften bis 2025 angeht – das ist keine Übertreibung“, sagte de Vries Euractiv als Antwort auf die Vorschläge der Europäischen Volkspartei.
„Die Hersteller entscheiden heute, ob sie Gelder für Strafen ‚einfrieren‘, die Produktion drosseln oder Zertifikate von ausländischen Herstellern kaufen, um die Vorgaben zu erfüllen“, erklärte sie und fügte hinzu, dass „diese Entscheidungen irreversibel sind und vor Jahresende getroffen werden müssen“.
Das Positionspapier der EVP sei eine „wichtige Anerkennung der Schwierigkeiten, mit denen wir als Branche konfrontiert sind“, gab sie an.
Die Umwelt-NGO Transport & Environment (T&E) kritisierte die Entscheidung jedoch.
„Die EVP will die Autohersteller von ihren Zielen für 2025 befreien, bevor das Rennen überhaupt gestartet ist“, so Alex Keynes, Cars Policy Manager bei T&E, in einer Erklärung. „Dies würde den Anreiz für die Industrie zunichtemachen, im nächsten Jahr mehr Elektrofahrzeuge zu verkaufen“, ergänzte er.
„Von der Leyen in den Rücken gefallen“
Auch bei anderen Fraktionen kamen die Vorschläge der konservativen EVP nicht gut an.
Michael Bloss, Koordinator für Industriepolitik der Grünen im EU-Parlament, äußerte: „Die Politik der Konservativen führt zu Chaos, Verunsicherung und schadet dem Automobilstandort Deutschland und Europa“.
„Mit der Abkehr vom Verbrenner-Aus fällt die eigene Fraktion der Kommissionspräsidentin von der Leyen in den Rücken“, fügte er hinzu.
Die EVP hatte die EU aufgefordert, das de-facto Verkaufsverbot für Verbrenner bis 2035 zu „korrigieren“, indem sie E-Fuels und Biokraftstoffe zulässt und einen „CO2-Korrekturfaktor“ einführt.
In ähnlicher Weise argumentierte Tiemo Wölken, ein SPD-Europaabgeordneter und Koordinator S&D-Fraktion für Umweltfragen, die EVP könne „mit Nebelkerzen wie E-Fuels und Biokraftstoffen […] nicht davon ablenken, dass ihnen die langfristige Vision für den Sektor abhandengekommen ist“.
„Eine Abkehr vom Verbrenner-Aus ist ihre einzige Idee zur Krisenbewältigung“, sagte er in einer Erklärung. „Das ist ein Zurück in die Vergangenheit, während die globale Konkurrenz den Massenmarkt für die E-Mobilität zu übernehmen droht“, fügte er hinzu.