Schnell wachsende Masthähnchen müssen in der EU aus Tierschutzgründen verboten werden, forderte die NGO Eurogroup for Animals. Vertreter der europäischen Geflügelproduzenten argumentierten mit höheren Preisen für die Verbraucher und Umweltproblemen dagegen.
„Wir fordern die politischen Entscheidungsträger auf, diese Züchtungen schrittweise aus dem Verkehr zu ziehen und stattdessen den langsamer wachsenden Züchtungen in der europäischen Gesetzgebung den Vorrang zu geben“, erklärte Eurogroup for Animals in einem Weißbuch, das erstmals am 3. Mai veröffentlicht und am 29. Mai neu aufgelegt wurde.
Schnell wachsende Masthähnchen sind hybride Hähnchensorten, die schnell an Größe und Gewicht zunehmen können. NGOs und Wissenschaftler kritisieren seit langem, dass diese Praktiken gesundheitliche Probleme bei den Tieren verursachen, wie zum Beispiel Laufschwierigkeiten, Aggressivität und eine höhere Sterblichkeit.
„Eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen zeigt, dass der wichtigste Faktor für das Wohlergehen von Masthähnchen die Züchtung ist und dass langsam wachsende Züchtungen bessere Werte für das Wohlergehen der Tiere aufweisen als ihre schnell wachsenden Gegenstücke“, so die NGO.
Neue Gesetzgebung
Die europäische Richtlinie von 2007, die die Zuchtpraktiken regelt, verbietet schnell wachsende Züchtungen nicht. Nach Ansicht von Eurogroup for Animals sollten die EU-Institutionen dies jedoch in der nächsten Legislaturperiode im Rahmen der umfassenden Überarbeitung der Tierschutzvorschriften regeln. Dies war ursprünglich für diese Legislaturperiode geplant und wurde dann verschoben.
Der Verband empfiehlt, auf dem European Chicken Commitment (ECC) aufzubauen, einer Reihe von Empfehlungen zur Verbesserung des Wohlbefindens von Geflügel. Der Verband empfiehlt auch, das schnelle Wachstum von Jungvögeln zu beenden. Mehr als 550 Unternehmen weltweit haben sich verpflichtet, diese Änderungen bis 2026 umzusetzen.
Um diese Praktiken schrittweise abzuschaffen, schlägt die NGO vor, dass die EU eine Liste zugelassener langsam wachsender Züchtungen erstellt. Sie fordert zumindest die Einführung einer Wachstumsgrenze von 50 Gramm pro Tag, wie sie von der Europäischen Lebensmittelbehörde empfohlen wird.
Der Verband orientiert sich auch an der Spezifikation für die ökologische Tierhaltung, die in der EU-Gesetzgebung eine Mindestaufzuchtdauer für langsam wachsende Züchtungen vorschreibt.
Industrie warnt vor wirtschaftlichen und klimatischen Folgen
Nach Ansicht von AVEC, dem europäischen Verband der Geflügelerzeuger, werden bei diesen Maßnahmen, neben dem Wohlergehen der Tiere, wie Wirtschaft und Umwelt, nicht berücksichtigt.
Laut einer kürzlich von AVEC in Auftrag gegebenen Studie zur Folgenabschätzung würde die Umsetzung des European Chicken Commitment zu zusätzlichen Produktionskosten von 37,5 Prozent pro Kilogramm Fleisch führen.
Unter Umweltgesichtspunkten würde dies zu einem Anstieg des Wasserverbrauchs um 35,4 Prozent und der Treibhausgasemissionen pro Kilogramm erzeugtem Fleisch um 24,4 Prozent führen.
Insgesamt, so die Studie, würden diese Änderungen in der Praxis zu einem Produktionsrückgang führen. Der Bau von 9.692 neuen Geflügelställen in der EU mit geschätzten Kosten in Höhe von 8,24 Milliarden Euro wäre erforderlich, „um das derzeitige Produktionsniveau aufrechtzuerhalten.“
Schließlich könnten höhere Preise „einen großen Teil der Verbraucher“ vom Kauf von Hähnchenfleisch abhalten und die Importe von Fleisch aus Drittstaaten erhöhen.
Da der Verbrauch in den nächsten zehn Jahren steigen wird, ist AVEC der Ansicht, dass „die Verbraucher die Wahl haben sollten, Produkte mit höherem Tierschutzniveau zu wählen, wenn sie dies wünschen, aber es ist wichtig, dass Standardprodukte zu erschwinglichen Preisen verfügbar bleiben“, so AVEC-Präsident Gert-Jan Oplaat.
Für Eurogroup for Animals sind die Verbesserungen beim Wohlergehen von Masthähnchen in einigen EU-Mitgliedstaaten der Beweis dafür, dass der Übergang möglich ist. Die NGO forderte die EU auf, sich bei ihren neuen Tierschutzgesetzen an diesen Beispielen zu orientieren.
Ein Beispiel dafür sind die Niederlande, die seit 2015 eine Präferenz für langsam wachsende Masthähnchen durchgesetzt haben. Auch Dänemark hat sich bereit erklärt, den öffentlichen Ankauf von schnell wachsenden Hähnchen auslaufen zu lassen, mit dem Ziel, auch auf europäischer Ebene tätig zu werden. In Schweden und Norwegen sind ebenfalls gesetzgeberische Maßnahmen in Vorbereitung.