Der US-Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation kurz nach Donald Trumps Amtseinführung ist Grund zur Sorge für Nichtregierungsorganisationen und europäische Politiker jeglicher Couleur.
Mit einem Anteil von 14 Prozent des Gesamtbudgets ist die USA derzeit der größte Geldgeber der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Die EU-Kommission wird nun prüfen, wie diese erhebliche Lücke geschlossen werden kann, und fordert „alle WHO-Mitglieder dazu auf, sich dieser Herausforderung zu stellen und ihr Engagement zu verstärken“, betonte die Kommissionssprecherin Eva Hrnčířová.
Kurz nach seiner Amtseinführung am Montag verkündete US-Präsident Donald Trump per Durchführungsverordnung, aus der WHO austreten zu wollen. Der US-Beitrag zum WHO-Budget stünde „in keinem Verhältnis“ zu dem anderer Länder – insbesondere im Vergleich zu China. Obwohl das Land “ mit einer Bevölkerung von 1,4 Milliarden, 300 Prozent der Bevölkerung der Vereinigten Staaten“ habe, trüge China „fast 90 Prozent weniger zur WHO bei“,
Experten, Politiker und NGOs bezweifeln, dass die WHO ohne die US-Unterstützung ihren Aufgaben nachkommen kann – und, dass die USA die globalen Herausforderungen im Gesundheitsbereich allein bewältigen kann.
„Die globale Zusammenarbeit ist von entscheidender Bedeutung für die Bekämpfung von Gesundheitsbedrohungen, die alle betreffen, auch die Amerikaner“, sagte Marc Suzman, Geschäftsführer der Gates Foundation, dem zweitgrößten Geldgeber der WHO.
Die WHO reagierte mit Bedauern auf die Entscheidung Trumps und verwies auf die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit den US-Behörden, die unter anderem zur Ausrottung der Pocken und fast zur Ausrottung von Polio geführt habe.
Europäische Reaktionen
Weitgehend einstimmig verurteilten die Fraktionen des EU-Parlaments Trumps Vorgehen.
„Nachdem Trump einen notorischen Impfgegner zum Gesundheitsminister ernannt hat, legt er mit einer weiteren populistischen Entscheidung nach, die sehr reale katastrophale Folgen für die Arbeit der WHO haben wird“, sagte die linke Fraktionsvorsitzende, Manon Aubry.
Vlad Voiculescu (Renew), ehemaliger rumänischer Gesundheitsminister und derzeitiger Europaabgeordneter, sagte hingegen, die EU sollte „die WHO unterstützen und ihr zur Seite stehen“, da die Gesamtverantwortung wahrscheinlich der internationalen Gemeinschaft zufallen wird.
Es ist unwahrscheinlich, dass die EU allein über die nötigen Mittel verfügt, um eine so große Finanzierungslücke zu schließen. Die Mitgliedstaaten haben bereits versucht, das EU-eigene Gesundheitsfinanzierungsprogramm für das Jahr 2025 zu kürzen.
Trotz der offensichtlichen Probleme sowohl für die EU als auch für die WHO wurde ein Rückzug der USA zumindest in weiten Teilen Brüssels erwartet. Bereits im Jahr 2020 hatte Trump die WHO von seines Austrittsabsichten wissen lassen.
Der sozialdemokratische deutsche Europaabgeordnete Tiemo Wölken (S&D) bezeichnete die Entscheidung als „leichtsinnig“, sagte aber, sie sei keine Überraschung, da der Präsident „Fakten und Wissenschaft missachtet“.
Trumps irreführenden oder falschen Aussagen zur öffentlichen Gesundheit – besonders der Corona-Pandemie – sind gut dokumentiert.
US-Behörden und Pharmaunternehmen werden nun wahrscheinlich keinen Zugang zu wichtigen Gesundheitsdaten haben, die für die Entwicklung bestimmter Impfstoffe, wie gegen die saisonale Grippe, benötigt werden.
Der französische EU-Abgeordnete Laurent Castillo sieht darin „eine Chance“ für die EU. „Dies könnte eine klare Botschaft senden: Kommt und innoviert in der EU!“
Sorge um die reproduktive Gesundheit
Die „Neubewertung und Neuausrichtung der Auslandshilfe der Vereinigten Staaten“, eine weitere Verordnung, beinhaltet eine 90-tägige Aussetzung der US-Entwicklungshilfe.
Besonders für die, die im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit tätig sind, ist das Grund zur Sorge.
„Die USA waren im Jahr 2022 der weltweit größte Geber für sexuelle und reproduktive Gesundheit“, sagte Lisa Görlitz, Leiterin des Brüsseler Büros der Gesundheits-NGO Deutsche Stiftung Weltbevölkerung.
Von den insgesamt 14,18 Milliarden US-Dollar, die Geberländer für die Förderung von sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten bereitstellten, steuerten die USA fast 66 Prozent der weltweiten Mittel bei.
NGOs sind besorgt über eine „Globale Knebel-Vorschrift“. Demnach können nicht in den USA ansässige NGOs keine Gesundheitshilfen der US-Regierung erhalten, wenn sie Leistungen rund um Schwangerschaftsabbrüche anbieten – sei es die Durchführung, Aufklärung oder die Überweisung von Personen an Zentren, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Würde diese Vorschrift wieder eingeführt, gäbe es einen Mangel an Diensten für sexuelle und reproduktive Gesundheit, erklärte Görlitz. Stattdessen müssten europäische Geber einspringen und sicherstellen, dass „die enormen Fortschritte bei der Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen nicht verloren gehen“.