Die UN-Klimakonferenz in Baku hat das wachsende Selbstbewusstsein des Gastgeberlandes Aserbaidschan gestärkt. In Europa löst dies hingegen Besorgnis über die Zukunft von Bürgerrechten und Friedensbemühungen in der Region aus.
Während über 65.000 Delegierte aus fast 200 Ländern auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Baku (COP29) um die Unterzeichnung des Klimaabkommens kämpfen, steht Aserbaidschan für einen Moment im Zentrum der Weltdiplomatie.
Doch diejenigen, die auf diplomatischer Ebene mit dem autoritären Land zu tun haben, machen sich Sorgen, was passieren wird, wenn die Aufmerksamkeit nächste Woche nachlässt. Denn trotz der stattfindenden Klimakonferenz hat Aserbaidschan das Vorgehen gegen die eigene Zivilgesellschaft weiter verschärft.
„Es ist wichtig, dass die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auch nach der COP nicht nachlässt“, sagte Grünen-Abgeordnete Robin Wagener, Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit dem Südkaukasus, der Republik Moldau und Zentralasien, gegenüber Euractiv.
Wachsendes Selbstbewusstsein
In Menschenrechts- und Friedensfragen haben westliche Länder mit einer zunehmend selbstbewussten Regierung in Baku zu tun, da Aserbaidschan seit Beginn der groß angelegten Invasion Russlands in der Ukraine an geostrategischer Bedeutung gewonnen hat.
Das an Öl und Gas reiche Land gleicht teilweise die fehlenden Lieferungen fossiler Brennstoffe von Russland nach Europa aus und seine Lage im „Mittleren Korridor“ macht es zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt für Handelsströme nach Asien, die von Russland umgeleitet wurden.
Europa ist sehr daran interessiert, den Frieden in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu wahren. Doch diese wird weiterhin von Moskaus imperialen Ambitionen ins Visier genommen und die Rückeroberung der umstrittenen Region Karabach durch aserbaidschanische Streitkräfte im Jahr 2023 war ein weiterer Schub für Baku Selbstbewusstsein.
Dies habe das Interesse Europas an der Region erhöht, insbesondere von Deutschland, der größten Volkswirtschaft der EU, sagte Marcel Röthig, Experte der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Bundeskanzler Olaf Scholz empfing beispielsweise den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev innerhalb von etwa zwölf Monaten zweimal in Berlin. Sowohl Scholz als auch Außenministerin Annalena Baerbock sind seit den ersten Gesprächen in Berlin an den Friedensverhandlungen zwischen Baku und Armenien beteiligt.
Erdrückende Freiheit
Der Umgang mit einem aufstrebenden Land hat es westlichen Diplomaten jedoch schwer gemacht, die unangenehmen Aspekte der aserbaidschanischen Politik anzugehen.
Aserbaidschan gehört derzeit zu den 14 Ländern mit den schlechtesten politischen und bürgerlichen Freiheitsrechten unter 192 Ländern, wie die NGO Freedom House in ihrem Index „Freedom in the World 2024“ zeigt. Nach Angaben von aserbaidschanische NGOs halte das Land aktuell etwa 300 politische Gefangene. Dies seien mehr als je zuvor, betonte Röthig.
Das Land zeigt sich diesbezüglich zunehmend unerschrocken, wie der Fall von Gubad Ibadoghlu zeigt, einem Wirtschaftswissenschaftler der London School of Economics und der TU Dresden und prominenten Kritiker der aserbaidschanischen Menschenrechts- und Umweltpolitik.
Ibadoghlu wurde nach Angaben seiner Verwandten bei einem Besuch aus Großbritannien aus seinem Auto gezerrt. Seitdem befindet er sich, wie auch andere lokale Klimaaktivisten, wie Amar Mammadli, in Gefangenschaft.
Entgegen früherer Hoffnungen hat die Klimakonferenz (COP) an den Bürgerrechten vor Ort nichts geändert. „Die Menschenrechtslage in Aserbaidschan hat sich – trotz gestiegener Aufmerksamkeit vor der COP – verschlechtert“, sagte Wagener. Ein von Armenien erhoffter Friedensvertrag kam vor der Konferenz nicht zustande.
Mundtote Kritiker
Diejenigen, die sich vor und während der UN-Veranstaltung zu Wort meldeten, wurden ignoriert oder sanktioniert, ohne einen nennenswerten internationalen Aufschrei.
Die parlamentarische Versammlung des in Straßburg ansässigen Europarats, einer Menschenrechtsorganisation, stimmte Anfang des Jahres dafür, die Delegation Aserbaidschans auszuschließen. Als Grund wurde angeführt, dass das Land seit zwei Jahrzehnten gegen die Standards der Institution verstoßen würde.
Kurz vor der Klimakonferenz verbot Baku den 76 Europarat-Delegierten, die für den Ausschluss gestimmt hatten, die Einreise und verwehrte den Delegierten mit politischem Mandat die Teilnahme am Gipfel.
Einer von ihnen war SPD-Politiker Frank Schwabe, Leiter der deutschen Delegation im Europarat. Laut ihm hätte er als Mitglied des Unterausschusses Klimapolitik des Bundestags ein Mandat zur Teilnahme.
Nach den Regeln der Vereinten Nationen hätte Baku sein Einreiseverbot für die Dauer der Klimakonferenz aufheben müssen, argumentierte er. Dies sei aber nicht geschehen.
Als das EU-Parlament eine kritische Erklärung zur Wahl Aserbaidschans als Gastgeberland der Klimakonferenz verabschiedete, schimpfte Alijews außenpolitischer Berater Hikmet Hadschijew über „Diskussionen im Europäischen Parlament, die an ein absurdes Theater oder einen Zirkus erinnern“. Sein Land habe keine Verpflichtungen gegenüber der EU, sagte er.
Ein von zwölf EU-Abgeordneten unterzeichneter Brief, in dem die aserbaidschanische Regierung aufgefordert wurde, Gespräche mit politischen Gefangenen zu ermöglichen, blieb unbeantwortet.
Europäischer Druck
Die wenigen offensichtlichen Konsequenzen und der „riesige Image- und Prestigegewinn“, den der Experte Röthig für Baku aus der Klimakonferenz (COP) ableitete, könnten Menschenrechtsmission in Zukunft erschweren.
Wagener sagt, dass Deutschland den Ansatz verfolgt habe, die Bedenken hinsichtlich der Bürgerrechte in Gesprächen hinter den Kulissen „vor der COP, während der COP und nach der COP“ beharrlich zur Sprache zu bringen. Ähnlich habe es Deutschland auch bei dem Ausschluss der Europarat-Delegierten gehandhabt. Außerdem habe er auch Gespräche mit Akteuren der Zivilgesellschaft geführt.
Die Strategie war teilweise erfolgreich. Ibadoglus Haft wurde in einen Hausarrest umgewandelt.
Röthig ist jedoch der Meinung, dass noch mehr getan werden könnte. Ein einheitlicherer europäischer Druck auf Baku, bei dem sich Deutschland der kritischen Position Frankreichs anschließt, würde helfen, ebenso wie Konsequenzen für Kredite, die Aserbaidschan von europäischen Institutionen gewährt werden.
„Letztlich ist es bislang nicht dazu gekommen, dass konkreter Druck auf Baku ausgeübt wurde“, sagte er gegenüber Euractiv.