Während des Rates für Landwirtschaft und Fischerei forderten mehrere EU-Staaten eine Lockerung des Schutzes von Robben und Kormoranen. Die Kommission lehnte jedoch eine Änderung der bestehenden europäischen Vorschriften ab.
Am Montag (21. Oktober) forderte Schweden die EU-Kommission in einer Notiz zur Diskussion im Rat für Fischerei auf, die Beschränkungen für die Jagd auf Kormorane und Robben zu lockern. Dazu verwiesen sie auf deren negative Auswirkungen auf die Fischereiindustrie.
„Diese Arten haben in der Ostsee stark zugenommen, was die Erholung bestimmter Fischbestände gefährdet, die für die Küstenfischerei wichtig sind“, erklärte der schwedische Minister für ländliche Angelegenheiten, Peter Kullgren, während der Sitzung.
Dem Vermerk zufolge nimmt die Zahl der Kormorane in den meisten Mitgliedstaaten mit mehr als 200.000 Brutpaaren in der Ostsee zu. Gleichzeitig ist die Population der Kegelrobben in der Ostsee in den letzten zwanzig Jahren um durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr gewachsen.
Änderung der Vorschriften
Schweden, unterstützt von Estland, Finnland und Lettland, forderte die Kommission auf, den Schutzstatus des Kormorans im Rahmen der Vogelschutzrichtlinie zu ändern. Sie schlugen vor, den Kormorans in Anhang 2B zu verschieben, was die Jagd unter Beibehaltung seines Schutzstatus ermöglichen würde.
Als Antwort darauf erklärte der EU-Landwirtschaftskommissar, Janusz Wojciechowski, dass die Kormoran-Prädation ein lokales Problem sei. Dies könne mit der Richtlinie zulässigen Ausnahmeregelungen bewältigt werden, ohne dass eine Änderung des rechtlichen Status der Art erforderlich sei.
Der Minister kündigte außerdem Pläne für ein Dokument im Frühjahr 2025 an, das nach Konsultationen mit den nationalen Behörden Leitlinien für die Bewirtschaftung der Kormoranpopulationen enthalten soll.
Neben der Forderung nach Änderungen der Kormoran-Vorschriften sprachen sich die Minister aus den baltischen und skandinavischen Staaten ebenfalls für Reformen der Vorschriften für den Handel mit Robbenprodukten aus. Ziel sei es, dem brutalen Abschlachten der Tiere ein Ende zu setzen und ethische Regelungen einzuführen.
Zu diesem Thema hat die Kommission im Mai 2024 nach Konsultationen mit Finnland, Estland, Lettland und Schweden eine einer Überprüfung dieser Vorschriften begonnen. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Januar 2025 erwartet.
„Am Ende der Überprüfung werden wir möglicherweise Möglichkeiten in Betracht ziehen können, begrenzte Verkäufe und eine begrenzte Robbenjagd in der Ostsee und im Rahmen der WTO [Welthandelsorganisation] zuzulassen“, fügte Wojciechowski hinzu.
Kontroverse über die Auswirkungen
Die Jagd auf Kormorane und Robben ist nach wie vor höchst umstritten.
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zufolge werden die negativen Auswirkungen von Kormoranen überschätzt. Um eine vollständige Bewertung vornehmen zu können, liegen jedoch zu wenige Daten vor.
Der schlechte Zustand der Fischbestände in der Ostsee sei auf „jahrzehntelange Überfischung, Umweltverschmutzung und andere menschliche Aktivitäten zurückzuführen, die das Ökosystem der Ostsee geschädigt haben“, so die NGO Oceana gegenüber Euractiv.
Was Robben betrifft, so zeigen Untersuchungen der Universität Göteborg, dass die derzeitige Robbenjagd in Schweden – ab 2020 jährlich 3.000 Tiere – das langfristige Überleben dieser Population gefährdet. Robben haben bereits mit den schwindenden Fischbeständen in der Ostsee und den Auswirkungen der globalen Erwärmung zu kämpfen.
Schweden hingegen verweist lieber auf Studien aus Schottland und Kanada. Diese zeigen, dass sich die Kabeljaubestände durch die Robben nicht erholen. Eine Begrenzung der kommerziellen Fischerei reiche somit nicht aus, um eine Erholung der Kabeljaubestände zu ermöglichen.
„Wir sind stolz auf unsere traditionelle Kultur, die weit in die Vergangenheit zurückreicht: Robbenprodukte wurden schon immer verwendet und verkauft“, erklärte der schwedische Minister. Er verwies auf die Inuit-Gemeinschaften, die miterleben mussten, wie die Robbenproduktindustrie, insbesondere die Öl-, Fleisch- und Pelzindustrie, allmählich verschwand.
Ein europäisches Problem
Die Robbenfrage ist besonders für die betroffenen Staaten in Nordeuropa von Interesse. Doch auch der griechische Minister für ländliche Entwicklung und Ernährung, Kostas Tsiaras, betonte die Notwendigkeit einer stärkeren Anerkennung der „negativen Auswirkungen der Überpopulation schädlicher Arten“. In diesem Zusammenhang erwähnte er ebenfalls das Wolfproblem.
Die Mehrheit der Mitgliedstaaten bezeichnete Kormorane als ein zentrales Problem. Der rumänische Minister Achim Irimescu wies auf den jährlichen Verlust von 9.000 Tonnen Fisch hin, der auf die Gefräßigkeit der Vögel zurückzuführen sei.
„Wir müssen einen fairen Ausgleich finden“, sagte der französische stellvertretende ständige EU-Vertreter Cyril Piquemal.
Die EU-Kommission mahnte jedoch zur Vorsicht, wenn man die Schuld für die Dezimierung der Fischbestände allein diesen Raubtieren zuschiebt. Umweltverschmutzung, Klimawandel und andere Faktoren seien ebenfalls für das Verschwinden von Fischen, insbesondere in der Ostsee verantwortlich.
„Die Kontrolle von Raubtieren wird diese anderen großen Probleme nicht lösen“, betonte Wojciechowski.