Die EU ist mit rekordverdächtigen Gefahren für die Gesundheit durch Untätigkeit im Klimabereich konfrontiert. Der Lancet Countdown Report 2024 berichtet über Todesfälle durch Hitzeeinwirkung und extreme Niederschläge.
Der international renommierte Bericht vom „Lancet Countdown on Health and Climate Change“ kritisiert, dass die nationalen Regierungen den Klimawandel „anfachen“. Gleichzeitig weisen sie auf einige Fortschritte hin, wie den Rückgang von Todesfällen im Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen.
„Die Gesundheitsgemeinschaft – und ich schließe mich da mit ein – hat zu lange gebraucht, um deutlich zu machen, dass die Klimakrise eine Gesundheitskrise ist. Es ist nicht nur eine Gesundheitskrise im Jahr 2050 oder um die Jahrhundertwende, es ist eine Gesundheitskrise heute“, sagte Dr. Jeremy Farrar, leitender Wissenschaftler bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Marina Romanello, Geschäftsführerin von „The Lancet Countdown“, betonte, dass Staaten die nur wenig Ressourcen zur Anpassung an Klimakatastrophen haben, schwerwiegendere Folgen zu spüren bekommen werden: „Es geht nicht mehr darum, dass dies auf einige Regionen beschränkt ist. Wir sehen die Auswirkungen in jedem einzelnen Land.“
Laut der gemeinnützigen Organisation Health Care Without Harm (HCWH) ist ein weiteres Problem die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks des Gesundheitswesens, der 4,6 Prozent der globalen Nettoemissionen ausmacht. Portugal hat bereits Dekarbonisierungspläne entwickelt und sich zu deren Umsetzung verpflichtet, Pläne in Belgien und Irland sind in Vorbereitung.
Zunehmende Hitze
Von den 15 Indikatoren zur Überwachung klimawandelbedingter Gesundheitsgefahren, -risiken und -auswirkungen haben seit dem letztjährigen Countdown-Bericht zehn Stück neue „besorgniserregende“ Rekorde erreicht.
Ein Indikator ist die hitzebedingte Sterblichkeit. Die Belastung durch extreme Hitze ist besonders für ältere und vorerkrankte Menschen, Kinder, sowie Menschen, die bei der Arbeit Hitze ausgesetzt sind, gefährlich.
Der Bericht stellt einen weltweiten Anstieg der hitzebedingten Todesfälle bei Menschen über 65 Jahren um 167 Prozent fest. Zwischen 2013 und 2022 stiegen die hitzebedingten Todesfälle in Frankreich im Durchschnitt auf zwölf pro 100.000 Menschen. Insgesamt waren die Menschen 9,4 Hitzewellentagen pro Jahr ausgesetzt.
„Deshalb müssen Krankenhäuser und Gesundheitssysteme darauf vorbereitet sein, klimabedingte Extremwetterereignisse vorherzusehen, darauf zu reagieren und sich davon zu erholen, während sie gleichzeitig ihre Abläufe dekarbonisieren, um den Klimawandel einzudämmen und so die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen“, erklärt die NGO Health Care Without Harm (HCWH).
Nicht nur Hitze stellt ein Gesundheitsrisiko dar: Extreme Niederschläge sind ein weiterer Indikator, der im diesjährigen Bericht aufgeführt wird. Besonders in den Niederlanden kommt es zu schweren Überschwemmungen, die zu Wasserverschmutzung und dem Risiko von durch Wasser übertragenen Krankheiten führen könnten.
Vor allem in Südeuropa stieg das Risiko von Infektionskrankheiten wie dem Dengue-Fieber und Vibrio-Erregern. Aufgrund steigender Temperaturen und Küstengewässer erreichten die Vibrio-Fälle im Jahr 2023 mit 692.000 Fällen ein Rekordhoch.
Brandstifter
2023 erreichten die globalen CO2-Emissionen ein Allzeithoch. Die Kohlenstoffintensität ist aufgrund der „anhaltenden Abhängigkeit der Regierungen von fossilen Brennstoffen und Subventionen“ jedoch nur geringfügig gesunken, erklärt die Hauptautorin des Berichts, Marina Romanello.
Laut dem Lancet-Bericht subventionierte Deutschland die Nutzung fossiler Brennstoffe allein im Jahr 2022 mit rund 4,5 Milliarden US-Dollar. Frankreich verteilte sogar 25,5 Milliarden US-Dollar an Subventionen für fossile Brennstoffe.
Grund zum Optimismus gibt es in Bezug auf die Luftverschmutzung.
Todesfälle durch Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe (PM2,5 im Freien) sanken um fast sieben Prozent von 2,25 Millionen im Jahr 2016 auf 2,09 Millionen im Jahr 2021. 59 Prozent dieses Rückgangs sind auf die geringere Kohleverbrennung zurückzuführen.
Die EU-Staaten müssen ihre national festgelegten Beiträge (NDCs) bis 2025 an die Regelung der UN-Klimakonferenz (COP29) anpassen. Dazu müssen die geplanten Klimaschutzmaßnahmen der Staaten bis 2035 detailliert dargelegt werden.
„Die Umwidmung der Billionen Dollar, die jedes Jahr in die fossile Brennstoffindustrie investiert oder subventioniert werden, würde die Möglichkeit bieten, einen fairen und gerechten Übergang zu sauberer Energie und Energieeffizienz sowie eine gesündere Zukunft zu schaffen, was letztlich der Weltwirtschaft zugutekommen würde“, erklärt Romanello.