Teile der Agrarindustrie drängen darauf, den Termin, an dem das EU-Entwaldungsgesetz in Kraft tritt, nach hinten zu verschieben. Rückendeckung erhalten sie hierbei auch von einigen EU-Staaten. Die Kommission ist allerdings dagegen.
Auf dem von Industrieverbänden organisierten Dialog über nachhaltiges Palmöl, der am Mittwoch (22. Mai) in Brüssel stattfand, äußerten sich die Interessenvertreter besorgt. Denn ihnen würde es an den Möglichkeiten mangeln, den Anforderungen der EU-Verordnung zur Entwaldung und Waldschädigung (EUDR) rechtzeitig zu entsprechen.
„Obwohl die Gesetzgebung am 30. Dezember in Kraft tritt, müssen wir einige Monate früher bereit sein“, erklärte Caroline Westerik-Sikking, Direktorin für Nachhaltigkeit beim schwedischen Pflanzenölriesen AAK.
Im Rahmen des Abholzungsgesetzes, das letztes Jahr verabschiedet wurde, müssen Unternehmen, die Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kakao, Kaffee oder Kautschuk auf den EU-Markt bringen, nachweisen können, dass die Produkte nicht aus kürzlich abgeholzten Gebieten stammen. Außerdem dürfen die Produkte nicht zur Schädigung von Wäldern beigetragen haben.
Diese Verpflichtung für Marktteilnehmer und Händler wird nach einer Übergangsfrist ab dem 30. Dezember 2024 gelten. Die Leitlinien für die Marktteilnehmer wurden für das Frühjahr erwartet.
Vertreter der Industrie haben sich besorgt über die Verzögerung geäußert. Dies führte zu Spekulationen über eine mögliche Verzögerung bei der Umsetzung der Vorschriften.
Auf der Veranstaltung am Mittwoch schloss Astrid Ladefoged, Referatsleiterin in der Generaldirektion Umwelt der Kommission, diese Möglichkeit aus.
„Das [Umsetzungs-]Datum steht in der Verordnung“, erinnerte sie die Zuhörer. Es sei vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten vereinbart worden.
Ein Kommissionssprecher teilte Euractiv mit, die Kommission arbeite an „weiteren Hilfestellungen zu Aspekten der Verordnung und unterstützt die Interessengruppen bei ihren laufenden Vorbereitungsarbeiten. Sie werden im Juni 2024 veröffentlicht.“
Rund 20 EU-Agrarminister unterstützen derzeit die Forderung, die Umsetzung des Entwaldungsgesetzes nach hinten zu verschieben. Sie begründen dies mit der Sorge um den Verwaltungsaufwand für die nationalen Behörden und die betroffenen Unternehmen.
„Dies ist die Haltung der Agrarminister“, erklärte ein EU-Diplomat gegenüber Euractiv, aber die Umweltminister, die das Dossier beaufsichtigen, „sehen die Dinge in einem anderen Licht.“
Bedenken gegen digitale Plattform
In einem Schreiben an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vom 17. Mai hat eine Koalition von Verbänden aus der gesamten Lebensmittelkette erklärt, dass das IT-System, mit dem Marktteilnehmer die Einhaltung der Anforderungen der Verordnung nachweisen können, noch nicht funktionsfähig sei.
Die digitale Plattform des Entwaldungsgesetzes ist ein wesentlicher Bestandteil des Durchsetzungsmechanismus. Sie dient als Speicher für die Sorgfaltserklärungen, die von den Marktteilnehmern und Händlern eingereicht werden, um die Anforderungen der Verordnung zu erfüllen.
„Dieses zentrale Element der Verordnung ist entscheidend für die erfolgreiche Anwendung [des Entwaldungsgesetzes] und wir sind zunehmend besorgt, dass es zu ihrer Achillesferse werden könnte“, heißt es in dem Schreiben.
Der Zeitplan für die Bereitstellung des Informationssystems für alle Marktteilnehmer gebe Anlass zu „ernsten Bedenken“, so die Industrievertreter.
NGOs mahnen, keine Zeit zu verlieren
Ebenfalls vergangene Woche forderten 25 brasilianische NGOs die Kommission in einem Schreiben an von der Leyen auf, die Anti-Entwaldungsregeln „bedingungslos zu unterstützen.“
„Diese bahnbrechende Verordnung ist der ehrgeizigste legislative Versuch, [die Entwaldung] weltweit zu bekämpfen“, heißt es in dem Schreiben. Ein Rückzug vom Entwaldungsgesetz würde das Engagement der EU im Kampf gegen den Klimawandel diskreditieren.